SK Sturm Graz – SK Rapid Wien 2:2
Sonntag, 16. August 2015, 16:30 Uhr
Stadion Liebenau, 14.876 (ca. 1.800 Gästefans)
Bundesliga 2015/16, 5. Runde
Zutaten
Sturm gegen Rapid. „Klassiker“. „Traditionsduell“. „Gipfeltreffen der besten Kurven des Landes“. Wie auch immer man die Begegnung zwischen den beiden größten Vereinen der beiden größten Städte Österreichs betiteln möchte, sie stand wieder mal an. In der 5. Runde der laufenden Bundesligasaison kam es zum Aufeinandertreffen unsereins mit dem SK Rapid. Und auch wenn einem dieses Duell manchmal aufgrund des ständigen und häufigen Wiederkehrens schon beinahe etwas künstlich hochgepusht erscheint und man dieser Tage fast schon neidisch ein Auge auf Österreichs zweithöchste Spielklasse wirft, in der sich langsam aber sicher eine sehr interessante Konstellation an Vereinen tummelt, brachte das Spiel gegen die Grün-Weißen wieder einmal viel Brisanz mit sich.
Sportliche als auch fansubkulturspezifische Aspekte waren dieses Mal wieder ein Grund, für diesen Sonntagskick zu mobilisieren. Rapid startete in diese Saison mit höchsten Ambitionen. Eine kontinuierlich aufgebaute und zusammengehaltene Mannschaft, gespickt mit uns selbst nur allzu gut bekannten Leistungsträgern, sowie der immer stärker werdende Aderlass des Leipziger Ausbildungsvereins in Salzburg, lässt aktuell die Quote für einen Tippzettel, auf dem der SCR als Meister ausgegeben wird, sinken und die Emotionen im 14. Wiener Gemeindebezirk nach oben schnellen. So kamen die Wiener mit dem Punktemaximum als Tabellenführer nach Graz und Sturm rangierte nach einem gefühlt schon verkorksten Ligaauftakt mit zwei Remis in den ersten Heimbegegnungen nach zwei Auswärtssiegen vor diesem Spieltag plötzlich auf dem zweiten Platz. Vier Punkte Rückstand nach vier gespielten Bundesligarunden. Und der Block West dürfte nach den fast schon unverschämt starken Siegen gegen RB SBG, im Derby gegen die „wieder erstarkte“ Austria und vor allem gegen Ajax in Amsterdam auf einem ziemlichen High-Level die Reise nach Graz angetreten haben.
Kaffeesud lesen
In unserem Grätzl steckte also kaum einer allzu große Hoffnungen in den bevorstehenden Fight am Liebenauer Fußballacker. Zu unklar erschien einem, mit welchem Rezept man Rapid biegen sollte. Nichtsdestotrotz traf sich ein großer Teil der Szene schon in aller Herrgottsfrüh am Stadion und tauschte die Sonntagsmesse gegen ein (je nach Auslegung) üppiges Frühstück im Stadionbeisl ein und die Gerüchteküche brodelte. Wie immer, wenn Wiener Fußballfans nach Graz reisen. Da sich nach dem vergangenen Heimspiel gegen Rapid einige wohl nicht nur in ihrer Ehre verletzt fühlten, erwartete man an diesem Tag doch einen Besuch einiger Alter Genossen, da man davon ausging, dass diese bei einem Aufeinandertreffen der alten Schule unter Beweis stellen wollten, dass ihre Reihen auch nach einem Tänzchen zur Musik am Grazer Stadionvorplatz noch Kraft in den Knochen haben. Auf unserer Seite wollten vorerst jedoch nicht alle diesem Treffpunkt mit Frühschoppencharakter beiwohnen und manch einer machte doch eine Radtour durch die Grazer Altstadt oder checkte am Hauptbahnhof die günstigsten Zugverbindungen für den nächsten Sommerurlaub. Jedoch musste man wieder einmal feststellen, dass auch der Gute-Morgen-Tee viel weniger heiß getrunken wird, als man ihn kocht und es kam zu keinem Klassentreffen. Aus dem erwarteten heißen Tanz wurde lediglich ein gemütliches Kaffeekränzchen und das Bier wurde mit denen, die ohnehin immer da sind, wenn Sturm spielt und einigen bekannten Gesichtern aus Karlsruhe getrunken. Bis zur Stadionöffnung genoss man also die angenehme Atmosphäre und stimmte sich auf das Spiel ein.
Aufkochen
Nach und nach füllten sich auch Stadion, Vorplatz und Kurve und nach dem Eintreffen der Busse aus Wien und damit zwei, wie immer gut gefüllten, Auswärtssektoren, fanden sich schließlich 14.876 Menschen im leider nicht ganz ausverkauften Liebenauer Stadion ein. Auch auf den Längstribünen war das eine oder andere grüne Trikot auszumachen, was unter Umständen auch zu diversen Unstimmigkeiten in eben jenen Sitzplatzbereichen führte. Zum Aufwärmen der Spieler gab es schon den ein oder anderen Chant von der Kurve, die an der Grenze zu Jakomini im Norden des Stadions liegt. Dabei sollten die eigenen Mannen motiviert und anderen die immer noch wehrende Abneigung entgegen gebracht werden. Von den Rapidlern war bis zum Anpfiff noch nix zu hören, erst mit dem Einlaufen der Mannschaften was zu sehen. Ein stylischer, aber bereits bekannter Block-West-Banner und dazu grüne und weiße Fähnchen, die die gegenüberliegende Seite in ein Streifenmuster in eben jenen Farben verwandelte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist dann auch die vermeintliche Abgedroschenheit von Sturm gegen Rapid abgelegt und das Feuer in einem beginnt zu brennen, wenn man doch noch einmal einer anderen Kurve gegenüber steht, der es sich gesanglich entgegen zu stellen heißt. Das Feuer begann dann auch auf unserer Tribüne zu brennen und machte sich in Form von weißen und schwarzen Rauchwolken und einigen blickenden Fackeln bemerkbar. Choreographisch lehnten wir uns heute zurück und auch wenn so eine Rauchwand sicher massiver wirken kann, das Ganze etwas unkoordiniert ablief und dieses Stilmittel in der Vergangenheit vor allem bei Spielen gegen die Grünen schon öfter zum Einsatz kam, hatte das Ganze einen netten Oldschool-Charme.
Oldschool war auch der Support in der ersten Halbzeit. Angetrieben von einer richtig stark aufspielenden und kämpfenden Mannschaft in Schwarz und Weiß wurden die Lieder gesungen und vor allem bei den zahlreichen gewonnenen Zweikämpfen und gelungenen Offensivaktionen von Sturm war der Lärmpegel teilweise ziemlich hoch. Nicht nur die Kurve gab Gas, auch das restliche Stadion stand immer wieder und vor allem die Jungs am Feld waren „on fire“, spielten beherzt nach vorne und dominierten die Rapid, von deren aktueller Stärke zu diesem Zeitpunkt wenig zu sehen war, mit ihren eigenen Tugenden. Sturm drückte, verhinderte hinten das Gröbste und spätestens als der Schiedsrichter auf den Elferpunkt im Strafraum von Rapid zeigte, war der Emotionsbarometer auf unserer Seite am Anschlag. Ob der Pfiff gerechtfertigt war, konnte von unserer Seite des Stadions nicht ausgemacht werden. Auch egal. Hadzic verwandelte sicher und jubelte provokant vorm Auswärtsblock. Etwas, das wir sonst eher nur umgekehrt kennen und das zusätzlich zu den Bengalen, die sich im Anschlag befindlich, nach dem verwandelten Penalty entzündeten, zur totalen Ekstase im Stadion beitrug.
Von Rapid nix zu hören und zu sehen und nachdem sich Tadic quasi mit Pausenpfiff unwiderstehlich auf links durchtankte und Avdijaj zum wiederholten Male die Rapid-Abwehr wie eine Schülerligamannschaft aussehen ließ und zum zwei zu null netzte, ging es mit einem pogenden Tor-Roar in die Pause.
In jener Pause blickte man nur in strahlende Gesichter. „Unglaublich.“ „Beste Saisonleistung.“ Die Dialoge wurden nur von Superlativen bestimmt und man wähnte sich beinahe im falschen Film. Doch jeder wusste, dass es auf der Hut zu sein galt, überschwängliche Freude noch verfrüht wäre. Zu sehr wusste man um die vermeintliche Unfähigkeit von Sturm zwei bärenstarke Halbzeiten aneinander zu reihen und die Tugenden und vergangenen Auftritte von Rapid.
Abkühlen
Und so kam es irgendwie auch wie es kommen musste. Sturm kontrollierte zwar die zweite Halbzeit weiter, aber Rapid kam auf, Sturm konnte oder wollte die Konter nicht fertig spielen und dem Kick nicht mehr wie in Halbzeit eins den Stempel aufdrücken. In Minute 70 erzielte der eingewechselte – no na – Beric den Anschlusstreffer. An dieser Stelle durchbrach auch der Block West erstmals die Schallmauer. Unsere Mannschaft und unsere Kurve ab diesem Zeitpunkt sicherlich noch bemüht, aber einfach mit den fehlenden Mitteln und schließlich versenkte Madl den Ball im eigenen Tor und nach dem Schlusspfiff war die Glückseligkeit aus der Halbzeitpause wie weggefegt. Eine emotionale Niederlage, soviel stand fest. Natürlich versuchte man sich in unseren Reihen gegenseitig aufzumuntern und einige wiesen darauf hin, wie sehr man nicht im Vorhinein mit einem Unentschieden zufrieden gewesen wäre und lobten die gute Leistung. Doch der Grant über die letztendlich verlorenen zwei Punkte und dass man dieses Spiel (leider fast erwartungsgemäß) noch kläglich aus der Hand gab, war zu diesem Zeitpunkt einfach ein nicht wegzuleugnender Schwerpunkt in der schwarz-weißen Gefühlswelt. Wieder einmal konnte ein Heimspiel nicht gewonnen werden und das nach so einer ersten Halbzeit. Unverständlich.
Zum Abschluss durfte man dann auch dem Block West noch einmal lauschen, der durch eine kleine Pyroshow zu Beginn der zweiten Halbzeit und der Rapidviertelstunde in Erscheinung getreten ist. Daneben gab es das Weststadion-Banner, dessen Bedeutung man an dieser Stelle nur bekräftigen und unterstützen kann und das übliche, dichte Fahnenmehr zu sehen, was wie immer ganz nett anzusehen war. Daraus hervor gestochen hat diesmal vor allem ein Anti-Graz-Fetzen, der behutsam, brav und beständig in Szene gesetzt wurde. Danke, viel Feind, viel Ehr. Daneben durfte man des Öfteren noch einen unglaublich cool gestalteten Fickt-euch-Doppelhalter bewundern und wie erwähnt nach dem Spiel auch einmal einen Gesang hören, in dem so lautstark und enthusiastisch wie selten in den 90 Minuten zuvor, die vermeintliche sexuelle Orientierung eines ORF-Kommentators besungen wurde. Dies lässt einen dann doch wieder einmal nur den Kopf über das Gegenüber schütteln, dem man in der jüngeren Vergangenheit fast schon zu respektvoll begegnet ist, und bewegt wieder einmal dazu, die Stilfrage zu stellen…
Aufwärmen
Aber genug davon. Es bleibt die Erkenntnis, dass das Spiel gegen Rapid wieder einmal nur unter Beweis gestellt hat, wie der Fußball so spielt. 1. Im Endeffekt erfreuen sich doch alle an emotionsgeladenen Duellen auf den Tribünen und am Feld. Sie sind das Salz in der Suppe und der Bundesligaalltag wäre ohne diese noch trister. 2. Du brauchst heutzutage einfach 90 starke Minuten um deine Gegner zu besiegen und das Publikum restlos zu begeistern. 3. Der Fußball ist kurzlebig. Die Emotionen schnell wandelbar. Abhaken. Nach vorne schauen. Das nächste Auswärtsspiel steht an. Ried. Eines der aktuell rar gesäten Samstagsspiele. Und auch dort warten einige offenen Rechnungen auf uns. Gemma Schwoaze!
ALLE NACH RIED!
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