BOTSCHAFT ZUM JAHRESABSCHLUSS

Liebe Schwoaze,

In der zweiten Novemberhälfte war es also wieder so weit: Lockdown, Geisterspiele und akustische Untermalung maximal durch tobende Betreuer auf der Bank, die den Schiris der Nation allerhand Nettigkeiten ausrichten. Bereits rund ums Heimspiel gegen den LASK kamen wir zum Schluss, dass eine Schulter an Schulter schunkelnde und leidenschaftlich brüllende Kurve mit der allgemeinen Gemütslage im Land nicht vereinbar sei. Das Mitfiebern im Stadion war uns allerdings noch ein letztes Mal vergönnt, ehe wir für die verbleibenden sechs Paarungen vor der Pause gleich ganz auf die Couch verbannt wurden. Kein Sonderzug in die Niederlande, kein Verabschieden der Mannschaft in die wohlverdiente Pause nach einem an sportlichen Höhepunkten reichen Jahr, keine letzte kollektive Kraftanstrengung im Dienst der guten Sache aka Schwoaze Helfen im Stadion und auch kein gemeinsames Weihnachtssingen im Gedanken an jene, die nicht wie wir ihr Fandasein auf der Sonnenseite des Stadionerlebnisses frönen. Also Tristesse durch und durch so wie ein Jahr zuvor, wie man meinen möchte? Mitnichten!

„Gemeinsam Explodieren!“

Das war das Motto, auf das wir uns vor der Wiedereröffnung der Stadien im letzten Sommer monatelang eingeschworen hatten. Alle ins Boot holen. Mit positiver Energie das beste aus der Situation machen. Jedes Spiel nutzen, als ob es das letzte wäre. Und wie wir explodiert sind! Selten gingen wir mit einer solchen Leidenschaft und so viel Schwung zu Werke, ein stimmungsvoller Höhepunkt jagte den nächsten. Die Mannschaft am Feld und wir auf der Tribüne, versuchten uns in unserem Elan regelrecht zu übertrumpfen. Nicht oft war Liebenau lauter, aber auch andernorts waren wir regelrecht außer Rand und Band. Wolfsberg stand Kopf, in der Linzer Vorstadt dröhnten selten inbrünstigere Schlachtrufe, der Grazer Stadtpark sah ein schwarz-weißes Fest und den Hütteldorfern flogen ihre einfältigen Wiedersehensgrüße um die Ohren, spornten sie uns doch nur noch mehr dazu an, die Partie im Wiener Westen akustisch zum Heimspiel zu machen (was an jenem Tag aber fairerweise nicht zuletzt an den entfesselten und hoch effizienten Blackies am Feld lag). In der letzten Runde wäre uns dann auch noch ein Spektakel in unserem zweiten Heimstadion in Klagenfurt bevorgestanden.

Das Abenteuer Europa

Und dann das Abenteuer Europa. Zwar mussten wir schlussendlich wie befürchtet den vermeintlichen Höhepunkt Eindhoven abhaken, mit 800 Schwoazen im Zug und etwa doppelt so vielen Schlachtenbummlern insgesamt, blicken aber vor allem auf weitere denkwürdige und unvergessliche Meilensteine unserer Europacuphistorie zurück. Und das ist keineswegs selbstverständlich. In Wahrheit schlug uns nämlich auch abseits der Gesundheitskrise und der damit verbundenen Regularien so gut wie überall der Unwillen der verschiedensten Behörden und Autoritäten entgegen, lautstarke und stürmische Auswärtsgefolgschaften zu begrüßen bzw. selbige ihre Feste feiern zu lassen. So war es nicht nur Covid geschuldet, dass wir uns außerhalb der Landesgrenzen mit allerhand Hindernissen und Schikanen konfrontiert sahen, sowohl in Slowenien als auch an der Côte d’Azur und im Baskenland wurden unsere Nerven, unsere Kreativität und unsere Geduld ausgiebig auf die Probe gestellt und nur wenige Kurven dieser Welt hätten sämtliche drei Spiele zu ihnen akzeptablen Bedingungen und ohne Wirbel im Inneren der Stadien verfolgt. Am Ende des Tages haben wir nichts unversucht gelassen und was bleibt ist, dass ein kurzfristig eigens zur Verfügung gestellter Auswärtssektor mit hunderten Schwoazen die Mannschaft in Murska Sobota in Richtung Gruppenphase peitschte, während zu jenem Zeitpunkt am gesamten Kontinent die meisten Auswärtsfans im Wohnzimmer oder zumindest vor dem Stadion verharren mussten; dass die Intensität der Unterstützung in Monaco wohl maximal von jener in Turin übertroffen wurde und jedem vor Ort im Gedächtnis bleiben wird; dass wir im wenig fanfreundlichen Spanien unsere Farben und den heroisch errungenen Punkt im Rahmen eines Corteos (wenn auch durchnässt und leicht außer Atem) und im wiederum vollen und enthusiastischen Gästeblock zelebrieren durften.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass wir in Österreich niemals mit einer solch repressiven und völlig unverhältnismäßigen Stadionrealität konfrontiert sein wollen und uns unsere Freiheiten bewahren mögen. Die sind sicherlich kein Nachteil, wenn man an die bombastischen Hexenkessel gegen Eindhoven und Sociedad in den Heimspielen denkt. In Liebenau wird greifbar, was mit dem Begriff „Europacup-Atmosphäre“ gemeint ist, wenn das gesamte Stadion steht und sich die Seele aus dem Leib schreit. Es male sich jeder selbst aus, in welche Sphären die Stimmung wie auch die Reiselust vordringen, sollten wir in Zukunft auch auf europäischem Niveau unsere Konkurrenzfähigkeit weiter nach oben schrauben.

Gemeinsam sind wir stark

Führt man sich jedenfalls die allgemeine Gemütslage und den generellen Umgangston im Land und darüber hinaus vor Augen, so dürfen wir wohl tatsächlich stolz darauf sein, dass es uns gelungen ist, einen Großteil unserer Gemeinschaft in besagtes Boot zu holen sowie auf sachlicher Basis – jedoch ohne jegliche wie auch immer geartete Polemik – das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Es scheint als gingen wir als Nordkurve und Anhängerschaft des SK Sturm sogar gestärkt aus diesem Jahr hervor, als seien wir noch ein Stück weiter zusammengerückt. Wie schon während der ersten Jahreshälfte ohne Stadionbesuche, zogen nämlich den ganzen Sommer und Herbst über ebenfalls alle an einem Strang, sodass wir sämtliche Kraft auf die Sache, sprich die Unterstützung des SK Sturm fokussieren konnten. Fazit ist, gemeinsam versetzen wir Berge, mit kühlem Kopf, großem Herzen und unbändiger Beharrlichkeit setzen wir so ziemlich jedes Vorhaben durch. Davon zeugt auch wie jedes Jahr rund um die Weihnachtszeit die unglaubliche Dynamik von Schwoaze Helfen. Dank dutzender unermüdlicher helfender Hände und unzähliger Unterstützer im Rahmen von zahlreichen bemerkenswerten Projekten ist die Aktion mittlerweile ein nicht mehr wegzudenkender Fixpunkt im Vereinsleben des SK Sturm zum Abschluss eines jeden Kalenderjahres. Trotz der abermals fehlenden großen Bühne Stadion steuern wir auf einen neuen Spendenrekord zu, was uns alle wiederum mit Stolz, Demut und Dankbarkeit erfüllt.

Volle Kraft voraus

Nochmals sei die Tatsache erwähnt, dass die Mannschaft ihrerseits für viele aufregende und emotionale Momente gesorgt hat und wir sie leider nicht gebührend in die Pause verabschieden konnten. Allerdings haben unsere feurigen Auftritte, solange wir ins Stadion durften, nicht den geringsten Zweifel offengelassen, wie es um unsere Stimmungslage bestellt ist. Unsere Energie, die Wucht unserer Gesänge wirken mit Sicherheit nach, und genau da müssen wir im Hinblick auf das Frühjahr ansetzen. Denn in absehbarer Zeit stehen wir wieder zusammen auf der Tribüne, das ist sonnenklar. Und mit der Gewissheit, dass in der Mannschaft unglaubliches Potential schlummert und wir mit unserem Feuer einen Flächenbrand entzünden können, legen wir dann mit dem selben Dampf wieder los, tragen unseren Teil zu neuerlichen sportlichen Höhenflügen bei, bewegen noch mehr Menschen am 1. Mai, hinterlassen einen noch bleibenderen Eindruck in Europa, untermauern unseren Standpunkt in der Stadionthematik und vor allem werden wir immer noch lauter!

So steht am Ende ein riesengroßes Dankeschön für die abgelaufene Saison und die vielen unvergesslichen gemeinsamen Augenblicke. Gleichzeitig steigt bereits die Vorfreude auf das, was vor uns liegt, obwohl der Fußball angesichts der persönlichen Herausforderungen, mit denen viele zu kämpfen haben, ein Nebenschauplatz bleibt. Bis dahin passt auf euch auf und kommt gut durch den Winter. Allen Schwoazen viel Erfolg und Gesundheit im Neuen Jahr! Und selbstverständlich viele Siege, denkwürdige Spiele und fanatische Stadionerlebnisse von Liebenau über die Dorfplätze der Provinz bis in die großen Tempel Fußballeuropas.

Auf die Schwoazen!